Wartungsarbeiten an der 120 Jahre alten Schulglocke in Ober-Nauses

Aktuelles vom 11. May 2020


Einst gegossen von Andreas Hamm (Sohn), ein Meister des Glockengusses. Wartungsarbeiten an der 120 Jahre alten Schulglocke in Ober-Nauses

(lng) Als der damalige Schulvorstand zur Einweihung des neu erbauten Schulhauses in der Gemeinde Ober-Nauses, heute Ortsteil der Gemeinde Otzberg, für den 18. November 1900 einlud, erklang zu dieser Feier unter Anteilnahme der Bevölkerung, des Bürgermeisters mit dem Gemeinderat und der Honoratioren des Kreises Dieburg wahrscheinlich auch erstmals die etwa 150 Kilogramm schwere Schulglocke in dem pyramidenförmig bedeckten Glockentürmchen, die das „Nausischer Tälchen erschallen ließ“, heißt es in der von dem inzwischen verstorbenen Otzberger Gemeindearchivar Gerd Kloster im Jahr 2001 verfassten Broschüre „Der kleine Geschichtsführer“ zur 100-Jahrfeier der einstigen Dorfschule. Bis zur Schließung dieser einklassigen Landschule und noch einige Zeit danach wurde die Glocke mit einem Seilzug durch die letzte Schuldienerin Trude Krämer in Gang gesetzt, später erfolgte die Installation einer elektrisch betriebenen Läuteanlage mit Zeitschaltuhr zum Programmieren der Läuteprogramme und einem Bedienschalter mit optischer Schwingungskontrolle. Im Laufe der Jahre gab es nicht nur eine zeitliche Verzögerung des Glockenläutens zur Mittags- und Abendstunde, sondern auch einen Missklang, der zunehmend auffiel, wer genau hinhörte.

Auch die Vorsitzende des das ehemalige Schulgebäude, heute Dorfgemeinschaftshaus, betreuenden Feuerwehrvereins Ober-/Schloß-Nauses, Adelheid Arndt, hatte dies bemerkt. „Es ist ein Glücksfall für uns und eine Bereicherung für unser Dorf, dass inzwischen mit dem Neubürger Simon Serio ein ehemaliger Kirchengemeinderat und Glockenbeauftragter der evangelischen Kirchengemeinde Johannes Calvin Mannheim-Friedrichsfeld in Ober-Nauses wohnt, der sofort zur Hilfe bei der Lösung des Problems bereit war“, erzählt sie erfreut. Nach der ersten Inspektion der Glocke aus Bronze in der kleinen Glockenstube stellte Serio zunächst fest, dass sich am Glockenhals eine reiche gotische Zier befindet, die in ihrer typischen Art auf den Glockengießer Andreas Hamm (Sohn) aus Frankenthal/Pfalz hinweist, der diese Glocke im Jahr 1900 goss. Er gelte als Meister des Glockengusses seiner Zeit. Für manchen überraschend kann Serio berichten, dass beispielsweise der deutsche Kaiser bei Andreas Hamm (Sohn) 1874 den Guss der Kaiserglocke des Kölner Doms, die größte freischwingende Glocke der Welt, in Auftrag gab, welche leider im Krieg 1918 wie viele andere Glocken zu Kriegszwecken eingeschmolzen worden sei. „Glocken von Andreas Hamm (Sohn) waren immer von guter Materialqualität und stellen daher einen Seltenheitswert dar und sind somit etwas Besonderes“, erklärt der Glockenfachmann Serio zum Wert der Schulglocke in Ober-Nauses, die bis heute trotz der beiden Weltkriege erhalten blieb. Allerdings gibt es im Otzberger Gemeindearchiv einen Fragebogen „betreffend Zugriff auf die Bronzeglocke im Schulhaus Gemeinde Ober-Nauses als Kriegs-Rohstoff 1917“, der bis zum 10. April 1917 an den Großherzoglichen Kreisbauinspektor abzuschicken war. Ob die Behörde damals auf die Glocke zum Einschmelzen als Kriegsmaterial verzichtete, ist nicht bekannt, sie wurde nie abgeholt.

Nach seiner ersten Prüfung der Glocke hat Serio bereits einige Arbeiten ausgeführt. So brachte er die Kette der Läutemaschine auf die erforderliche Spannung gemäß den Vorgaben hierfür. „Das Läuten der Glocke ist hörbar gleichmäßiger und harmonischer geworden“, ist das zufriedenstellende Ergebnis Serios. Die anvisierte Erneuerung des Klöppels bzw. dessen Aufhängung werde dann noch weitere Unregelmäßigkeiten im Klang und im Läuteverhalten ausgleichen, versichert er. Ebenso wurden von ihm alle beweglichen Teile auf korrekten Sitz und Schmierung überprüft, Läutekette und Lager des Glockenjochs befreite er von überschüssigem Fett. Zudem habe er, so Simon Serio, die Glockenstube aufgeräumt, Dreck und Unrat entfernt, so dass nun ein Arbeiten unter der Glocke und rund um den Glockenstuhl im Rahmen der Arbeitssicherheit möglich sei. Was er noch erledigt hat, ist die Einholung von Angeboten bei drei Fachfirmen für die Erneuerung des Klöppels bzw. dessen Aufhängung. Diese Angebote sollen der Gemeinde Otzberg vorgelegt werden.

Auf alle Fälle wird die Schulglocke in Ober-Nauses nach Beendigung der Wartungsmaßnahmen wieder mit ihrem vollendeten Klang die Bürgerinnen und Bürger des kleinsten Otzberger Ortsteils erfreuen, so die Hoffnung aller Beteiligten.

Hier der Arbeitsbericht über die Wartung der Glocke durch Simon Serio, Glockenbeauftragter »

 



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